Mit wachsender Besorgnis beobachte ich die finanzielle Entwicklung unserer Gemeinde. Der Schuldenberg wächst – nicht nur aufgrund bestehender Kredite, sondern auch durch weitere Investitionen, die der aktuelle Haushalt rechnerisch nicht mehr ausgleichen kann. Selbst erwartete Einnahmen aus Windkraftprojekten, deren Realisierung in weiter Ferne liegt, vermögen daran kaum etwas zu ändern.
Neue werbewirksame Projekte werden angekündigt oder befinden sich bereits in der Umsetzung, Pläne werden geschmiedet, Zukunftsvisionen gezeichnet: ein neues Schwimmbad, modernisierte Bürgerzentrum, zusätzliche Kindergärten, Windkraft und mehr. Alles Maßnahmen, die auf dem Papier zweifellos sinnvoll erscheinen. Doch hinter dem Glanz der Ankündigungen stehen Fragen, die vielen Bürgerinnen und Bürgern auf der Zunge brennen.
Denn was als „Errungenschaften“ verkauft wird, wirkt oft eher wie strategisches Wahlkampfmaterial. Gerade in einer Gemeinde mit begrenzten finanziellen Mitteln scheint der Griff zu prestigehaften Großprojekten überdimensioniert. Man könnte fast meinen, es werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen – große Ideen, aber wenig nachhaltige Planung.
Natürlich braucht unsere Gemeinde Investitionen in Infrastruktur und Lebensqualität. Doch muss das wirklich alles gleichzeitig und unter Hochdruck passieren? Warum nicht eine realistische Projektierung mit klarem, tragfähigem Finanzierungskonzept – statt riskanter Vorhaben, die schnell zu einer Belastung für kommende Generationen werden könnten?
Es ist an der Zeit, dass kommunalpolitische Entscheidungen weniger von plakativer Dramaturgie, sondern mehr von kluger, nachvollziehbarer Planung getragen werden. Es braucht eine Politik, die nicht nur laut denkt, sondern auch leise Verantwortung übernimmt.
Umso unverständlicher ist es, dass nun ein Neubau für ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) gefördert werden soll, bei dem die Gemeinde langfristig in finanzielle Vorleistung geht. Das Vorhaben ist zweifellos sinnvoll und notwendig – doch die Art und Weise der Umsetzung wirft Fragen auf:
- Warum gab es keine öffentliche Ausschreibung für dieses Projekt?
- Warum wurden keine bestehenden Immobilien in Birstein auf ihre Eignung geprüft?
- Warum wurdem keine zusätzlichen Investoren gesucht?
- Und warum sind ausgerechnet die handelnden Protagonisten eng in Partei und Gemeindegremien, sowie in bereits abgeschlossenen gemeinsamen Projekten verwoben?
Die Gemeinde plant, das vom Bauunternehmer errichtete Gebäude auf eigene Kosten anzumieten – mit langfristiger Bindung über 20 Jahre. Sollte sich jedoch kein medizinisches Personal finden, das das MVZ betreibt und die Miete übernimmt, bleibt die Gemeinde auf den laufenden Kosten sitzen.
Dabei gäbe es pragmatische Alternativen:
- Öffentliche Ausschreibung: Durch ein transparentes Vergabeverfahren hätten auch andere Investoren oder Immobilieneigentümer ihre Konzepte vorlegen können – vielleicht sogar zu besseren Konditionen.
- Bestandsimmobilien nutzen: Eine umfassende Prüfung leerstehender oder teilgenutzter Gebäude in Birstein hätte Chancen eröffnet, vorhandene Ressourcen effizient zu nutzen, statt neu zu bauen.
- Unabhängige Wirtschaftlichkeitsanalyse: Vor einer solchen Verpflichtung sollte ein externes Gutachten erstellt werden, um Chancen, Risiken und Folgekosten realistisch zu bewerten. Diese Ergebnisse müssten in der Gemeindevertretung oder in den Ausschüssen analysiert und besprochen werden.
- Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger: Ein offener Dialog – etwa in Form von Bürgerversammlungen – würde nicht nur Transparenz schaffen, sondern auch Vertrauen stärken.
Ich appelliere daher an alle beteiligten Gremien, dieses Vorhaben im Sinne der Gemeinde und der Bürgerinnen und Bürger nochmals kritisch zu prüfen – nicht aus Prinzip, sondern aus Verantwortung.