Nach der Wahl im Oktober richte ich meinen Blick auf das demokratisch gewählte Amt des Bürgermeisters – mit klaren, aber differenzierten Erwartungen. Die Gemeinde steht vor einer Reihe bedeutender Herausforderungen, die nicht nur kluge Verwaltung, sondern auch politische Führung verlangen.
Im Zentrum der Erwartungen steht die prekäre Finanzlage der Kommune. Über 16 Millionen Euro an Investitionen sind bis 2028 geplant, doch die Haushalte sind nur durch buchhalterische Kunstgriffe genehmigungsfähig. Unvorhergesehene Kosten sind nicht berücksichtigt und die Inflation verschärft die Situation zusätzlich. Ich befürchte, dass bei ausbleibender Haushaltsgenehmigung Steuererhöhungen drohen – insbesondere bei der Grundsteuer B – und dass die Verantwortung dafür nicht bei den Bürgern, sondern bei den Entscheidungsträgern liegt.
Besonders kritisch sehe ich die Umsetzung zentraler Projekte wie das Medizinische Versorgungszentrum und die Sanierung des Freibades, sowie die Fertigstellung der Renovierung des Bürgerzentrums. Alle Vorhaben sind gesellschaftlich wichtig und durchaus notwendig – die ärztliche Versorgung und das Freibad als sozialer Treffpunkt – doch die Planung und die Investitionsentscheidungen sind nach meiner Meinung mangelhaft durchdacht und teilweise ungeschickt geplant. Das Bürgerzentrum verteuert sich regelmäßig entgegen ursprünglicher durchaus pessimistischer Planungen und auch beim Freibad stellt sich die Frage, ob die Finanzierung tragfähig ist oder ob ein weiteres Projekt auf wackeliger Grundlage umgesetzt wird.
Hinzu kommt die Windkraft: Die Bauarbeiten für die Windräder mit insgesamt 54 Megawatt Leistung haben begonnen, doch die erhofften Einnahmen für die Gemeinde werden voraussichtlich später fließen als ursprünglich geplant und sind nach wie vor in der versprochenen Höhe von 1,2 Millionen Euro pro Jahr noch immer unsicher. Die Energiewende ist ohne Frage wichtig und kann nicht zuletzt durch aktuelle Bemühungen – auch der IG-Nahwärme in Birstein – durchaus Fahrt in unserer Kommune aufnehmen, ich bitte jedoch um eine realistischen Einschätzung der finanziellen Wirkung solcher Großprojekte.
Vor diesem Hintergrund erwarte ich vom neuen Bürgermeister nicht nur Repräsentation, sondern eine klare Kurskorrektur. Es braucht den Mut, Projekte neu zu bewerten, Prioritäten zu setzen und offen mit den Bürgerinnen und Bürgern zu kommunizieren. Die Zukunft Birsteins hängt nicht von der Größe der Bauvorhaben ab, sondern von der Qualität der Entscheidungen.
Dabei sollte auch die Möglichkeit einer Mischkonstruktion in Betracht gezogen werden: Investitionen dort, wo sie wirklich notwendig und tragfähig sind – kombiniert mit einem strikten Haushaltskurs und der Bereitschaft, Projekte anzupassen. Ich wünsche mir eine Politik, die nicht auf Prestige, sondern auf Substanz setzt. Denn gewählt wurde nicht für Visionen allein, sondern für verantwortliches Handeln im Hier und Jetzt.
Kurzum das sollte die Person im Amt des Bürgermeisters in der Zukunft mitbringen:
Verantwortungsbewusste Haushaltsführung:
- Angesichts wachsender Schulden mahnt sie zu finanzieller Disziplin und nachhaltiger Investitionspolitik.
Transparente Kommunikation:
- Entscheidungen sollen nachvollziehbar und offen mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutiert werden.
Stärkung der lokalen Infrastruktur:
- Dazu zählen ärztliche Versorgung, digitale Verwaltung und soziale Einrichtungen, sowie die Identifikation von neuen Einkommensquellen, um die Bürgerinnen und Bürger vor Steuererhöhungen und anderen zusätzlichen Belastungen zu bewahren.
Unabhängigkeit und Sachverstand:
- Der Bürgermeister soll sich nicht von parteipolitischen Interessen leiten lassen, sondern das Wohl der Gemeinde in den Mittelpunkt stellen.